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„Kauft Tickets, kommt auf Konzerte!“

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Wenn Sie jemand fragt, was für eine Art Festival das Week-End Fest ist, was antworten Sie dann?

Ha, ertappt! Ja, es ist vielleicht gar nicht so einfach, dass in einen Satz zu fassen, aber ich versuche es mal kurz zu beschreiben. Im weitestgehenden Sinn ist es natürlich ein Musikfestival. Im Englischen gibt es den Begriff des „Boutique Festivals“. Das passt zumindest vom Namen her sehr gut. Um es inhaltlich etwas genauer zu beschreiben, würde ich sagen, dass ich versuche, Musiker*innen zu präsentieren, die weniger im Rampenlicht stehen. Ausgewählte und weniger populäre Themen. Zu Beginn haben wir mal von einem „Festival von Fans für Fans“ geschrieben. Ich denke, das bringt es auf den Punkt.

In den vergangenen Jahren hatten wir zum Beispiel Gilberto Gil bei uns, eine Ikone der brasilianischen Musik. Die deutsch-britische Prog-Pop-Band Slapp Happy, die in den 1970er Jahren gegründet wurde, hat sich bei uns wiedervereint. Der Folk-Musiker Devendra Banhart hat bei uns 2017 mit dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld von Jan Böhmermann gespielt. Wir sind also vielseitig. Inhaltlich haben wir uns zuletzt noch einmal stark verändert, weil es mir gerade in der heutigen Zeit wichtig ist, dass es bei uns über 50 Prozent weibliche Künstler*innen gibt und das Festival auch divers ist.

 

Anders als bei anderen Festivals treten bei Ihnen nicht Künstler*innen oder Bands auf, die sowieso gerade auf Tour sind. Wie gehen Sie bei der Zusammenstellung des Line-Ups vor, was für ein Aufwand ist damit verbunden?

Der Aufwand ist auf jeden Fall um einiges größer, als wenn man nur das auswählt, was einem angeboten wird. Mir ist es vor allem wichtig, selbst aktiv zu werden und nach spannenden Inhalten zu suchen. Ich finde, wenn man ein größeres und vor allem genreübergreifendes Musikinteresse hat, gehört es zur Arbeit, selbst Künstler*innen zu finden. Ich will mich bei dieser Suche auch selbst überraschen und dann einen Abend zusammenstellen, der abwechslungsreich und aufregend ist. Das ist mir das Wichtigste.

 

Wie ist das Week-End Fest bislang durch die Pandemie gekommen?

Bisher dachte ich eigentlich, dass wir mit einem blauen Auge davongekommen wären, aber gerade kommt nochmal etwas aus 2020 zurück, dass sich etwas als „Backlash“ entwickelt. To be continued …

 

Und wie sind Sie als Konzertveranstalter bislang durch die Pandemie gekommen?

Das ist aktuell wirklich ein sehr schwieriges Thema. Erst haben die Leute wochen- oder sogar monatelang keine Veranstaltungen besuchen können und sprachen davon, wie schwer ihnen das fallen würde. Und jetzt könnten sie, und keiner möchte mehr Tickets im Vorverkauf kaufen. Ich weiß auch nicht, warum das so umgeschlagen ist. Jedenfalls geht das gerade schon an die Substanz, und wir müssen das auch weiter thematisieren. Die Förderungen helfen uns zwar in gewisser Weise. Aber bei einem allgemeinen Desinteresse kann Förderung auch nicht die Lösung sein. Ich denke, dass sich da bald was tun muss, ansonsten verschwinden wir unabhängigen Veranstalter*innen von der Bildfläche.

 

Seit wann veranstalten Sie Konzerte? Ist es Beruf oder Leidenschaft?

Ich bin definitiv als Musikfan gestartet. Seit 25 Jahren wohne und arbeite ich jetzt in Köln, und meine Liebe zur Musik, die ich schon immer in mir trug, hat mich auch immer begleitet. Ich habe 16 Jahre in einer Internetagentur gearbeitet und konnte meine Leidenschaft für die Musik nie ganz abstellen. Ende 2001 haben ich angefangen, beim damals in Köln ansässigen Label Tomlab zu arbeiten. Für Tomlab habe ich mich auf die Suche nach spannenden Künstler*innen gemacht und sie gefunden. Ich habe zum Beispiel die Band Oh Sees in San Francisco entdeckt und die Musiker Owen Pallett und Patrick Wolf, um nur einige zu nennen. 2008 habe ich dann begonnen im King Georg, das damals unter der Leitung von Andre Sauer neueröffnet wurde, Konzerte zu buchen. Von 2008 bis 2019 waren es exakt 350. Da kam schon einiges zusammen, darunter The War on Drugs, Mac DeMarco und Kurt Vile, die später alle sehr bekannt geworden sind; eine sehr spannende Zeit, in der ich interessante Musiker*innen und Menschen kennenlernen durfte. Und so ist es auch heute noch. Klar soll jeder von seiner Arbeit leben können. Ich habe aber eines immer gemerkt und tue es auch jetzt noch: Wenn es wirklich rein ums Business geht, dann interessiert es mich nicht. Dafür steckt in der Musik für mich zu viel Leidenschaft drin.

 

Skizzieren Sie doch bitte mal, wie Ihre Tätigkeit als Konzertveranstalter aussieht.

Es gibt eigentlich viele Wege, das zu tun, aber der vielleicht Beste ist, erst einmal herauszufinden, welche Agentur oder welche Person eine*n Künstler*in vertritt. Wenn man sie dann anschreibt, sollte man bereits einen Veranstaltungsort angefragt haben, um zu prüfen, wie dort die Konditionen aussehen. Dann macht man eine Kalkulation und packt alle Kosten rein, die ebenso anfallen: die Kosten für den Veranstaltungsort, für die Künstler*innen-Gage und die Unterbringungskosten, dazu kommen noch Bewerbungskosten wie Posterdruck und Plakatieren, Werbung im Internet. Da kommt schon einiges zusammen. Ich denke, ein Durchschnittskonzertbesucher würde so etwas nicht machen. Es gehört schon eine Risikobereitschaft dazu, und eben die Liebe zur Musik. Ich glaube, ich könnte mir nicht Schlimmeres vorstellen, als das rein beruflich zu machen und mit Musiker*innen arbeiten zu müssen, deren Musik ich nicht ertragen kann. Zum Glück muss ich das (noch) nicht tun.

 

Wer trägt denn bei solchen Konzerten das finanzielle Risiko? Sie allein?

Primär wir Veranstalter*innen, aber auch die Musiker*innen haben recht hohe Kosten. Bei uns sind es die Gesamtgage, die Hotelkosten und die Verpflegung, die den größten Anteil ausmachen. Aber auch die Bewerbungskosten, um die Veranstaltung publik zu machen, sind recht hoch. Man muss schon viel Geld ausgeben, bis es etwas zu verdienen gibt. Das ist schon nicht leicht. Deshalb freue ich mich auch, wenn unsere Arbeit wertgeschätzt wird und auch die Hürden gesehen werden, die wir oft haben. Daher: Kauft Tickets, kommt auf Konzerte! Ohne diese wär´ es so viel trister dieser Tage…

 

Wie wichtig ist die Unterstützung von Sponsoren und öffentlichen Einrichtungen für Sie, und auf wen können Sie zählen?

Aktuell kann ich zu 100 Prozent sagen, dass das alles ohne Förderungen zum Beispiel durch das Kulturamt der Stadt Köln oder das Ministerium für Kultur des Landes NRW oder die „Neustart Kultur“-Hilfe des Bundes nicht möglich wäre. Ich war gerade in England, da gibt es so etwas gar nicht. Und wenn, dann nur für die großen Konzerthäuser wie die Philharmonien oder Theater. Wenn man das mitbekommt, merkt man wirklich, wie wichtig bei uns die Aufgabe genommen wird, die kulturelle Vielfalt jenseits der Stadien zu unterstützen und weiter zu fördern. Da bin ich sehr froh darüber und weiß das zu schätzen. Nun müssen wir sehen, wie sich das mit den anderen Krisen entwickelt, also mit der Energiekrise und dem anhaltenden Krieg. Da wird sich irgendwann schon die Frage stellen, ob das alles so aufrecht gehalten werden kann. Warten wir ab…

 

Zurück zum Week-End Fest. Hat sich die Stadthalle Köln-Mülheim als fester Veranstaltungsort etabliert?

Aktuell ja, aber ich würde schon auch nochmal versuchen, in den kommenden Jahren etwas anderes auszuprobieren. Ich möchte eigentlich nirgends ankommen. Dafür bin ich zu umtriebig und meine Ideen sind es auch.

 

Worauf freuen Sie sich in diesem Jahr neben dem Festival ganz besonders?

Wir haben die vergangen zwei Jahre, vor allem während der Zeit der Pandemie, an einem Buch gearbeitet, das nun im Oktober endlich erscheinen wird. Wir baten 21 Künstler*innen, die in den vergangenen zehn Jahren bei uns auf dem Festival gespielt haben, uns von Orten, Begegnungen und Personen zu erzählen, die für sie und ihr Leben wichtig waren. Da sind wirklich unglaublich schöne Geschichten bei rumgekommen. Fast alle Fotos im Buch sind auch während des Festivals entstanden. Das Buch heißt „I feel everything you say, I feel everything you hear.“. Der Titel stammt aus dem Song „I‘m So Green“ von Can. Und ich finde, er bringt es wirklich schön auf den Punkt. Er ist wie unser Festival: von Leidenschaft durchzogen.

 

Ein Letztes: Warum ist Köln der ideale Ort für Ihre Projekte?

Ich kann den Karneval-Dom-Rhein-Patriotismus zwar nicht leiden, finde aber die Stadt sehr lebenswert und auch das Kulturverständnis von Seiten der Stadt sehr ausgeprägt. Hier lassen sich viele Projekte verwirklichen. Ich habe letzte Woche den neuen Kulturdezernenten Stefan Charles getroffen, der sehr gute Gedanken und eine Vision für Köln hat. Es tut gut zu wissen, dass jemand mit neuen guten Ideen antritt, um die Szene weiterhin zu stärken. Ich wünsche ihm gutes Gelingen.

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