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Im Interview mit Aaron von Lüpke

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Ein Gespräch mit Aaron von Lüpke (links im Bild), CSO der YONA Group GmbH, über Augmented Reality, Wachstum in der Corona-Krise, die kurz-, mittel- und langfristigen Ziele seines jungen Unternehmens und darüber, warum man in der Region Köln sehr erfolgreiche Start-ups gründen kann – wenn man gewisse Ratschläge beherzigt.   

 

Herr von Lüpke, Sie haben die YONA App entwickelt. Was ist das eigentlich?  

Die YONA App ist eine Augmented-Reality-Anwendung, das heißt, wir können über das Smartphone digitale Inhalte in die reale Welt platzieren und mit diesen sogar interagieren.

Haben Sie Beispiele?  

Eines unserer größten Projekte ist das mit der Stadt Mönchengladbach, mit dem haben wir den Urbanana Award 2020 von NRW Tourismus gewonnen. Wir haben dort die bereits bestehenden Stadtpläne so aufbereitet, dass eine interaktive Stadtkarte entsteht, wenn man mit dem Handy darauf hält. Man kann sich Sehenswürdigkeiten in 3D ansehen, wird mit Google Maps zu ihnen geleitet, bekommt wesentliche Informationen angezeigt, kann eine Führung direkt online reservieren. Der Stadtplan, der ja an jeder Bushaltestelle hängt, wird so zur Touristeninformation und zum interaktiven Touchscreen. 

Und das mit Hilfe Ihrer App?

Ja, wir nennen sie „Augmented-Reality-Assistent“. Sie kann Ihnen auch zu Hause helfen, wenn Sie zum Beispiel einen WLAN-Router anschließen müssen. In Zukunft können Sie anstatt bei YouTube unter 30 Tutorials nach dem richtigen für Ihr Modell zu suchen, einfach Ihr Smartphone mit der YONA App drauf halten, und schon wird Ihnen das Gerät erklärt. Durch die App bekommen Sie die richtigen Informationen an der richtigen Stelle zur richtigen Zeit. Die meisten kennen Augmented Reality, also AR, ja von „Pokémon Go“. Unser Ziel war es, die Technik aus der Spiele-Ecke rauszuholen und ihr einen echten Mehrwert zu geben. Das ist uns zum Beispiel in einem ersten Pilotprojekt hier in Köln im St- Vinzenz-Hospital während der Pandemie gelungen.   

Das hört sich interessant an, bitte erzählen Sie das etwas genauer.

Wir haben eine AR-Schulung für die Beatmungsgeräte entwickelt. Damit konnten wir den Mitarbeitern direkt an den Maschinen Hilfestellungen und Erklärungen bieten, um diese bei eventuellen Fragen direkt unterstützen zu können.    

Was kann Ihre Technik da genau leisten?

Man muss einfach nur das Handy auf das Beatmungsgerät halten, und dann erscheint auf dem Handy-Bildschirm über dem Gerät ein interaktives Erklärvideo. Da wird man dann zum Beispiel gefragt, ob ein bestimmtes Signal auf der Maschine aufleuchtet. Je nachdem, ob man mit dem Finger auf „Ja“ oder „Nein“ tippt, läuft das Video entsprechend weiter. Auf der Maschine werden zudem Pfeile eingeblendet und Hinweise, was man als nächstes tun soll. Wir benutzen dabei auch 3D-Grafiken. So etwas kann eine Riesenhilfe sein.

Wo wir schon über Corona sprechen: Wie haben Sie als Unternehmer die Krise erlebt?

Anfangs sind wir ganz schön überrumpelt worden. Wir waren da noch sehr auf das Thema Marketing spezialisiert und haben analoge Messestände digital erweitert.

Wie macht man das? 

Bringt ein Aussteller von einem Produkt nur ein Modell mit zur Messe, bringen wir mit Hilfe der AR auch alle anderen Varianten dorthin. Wir haben 2020 angefangen, das zu vertreiben, und dann kam Corona, und es war vorbei mit Messen.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Wir sind ein junges und agiles Team und haben sofort überlegt, was wichtig werden könnte in der Pandemie. Was können die Leute in der Stadt noch machen, wenn alles geschlossen ist? Die Antwort: Spaziergänge und Radtouren. Also haben wir uns gefragt: Wie können wir das mit AR attraktiver gestalten? Die ersten Projekte haben wir mit kleinen Kommunen rund um Köln gemacht. Die Reaktionen der Menschen haben uns gezeigt: Unsere Ideen kommen total gut an. Dann kamen Kooperationen mit Krefeld, Mönchengladbach und Schlebusch, mittlerweile arbeiten wir auch mit mehreren Städten in Nord- und Ostdeutschland zusammen. Das reicht vom Trimm-Dich-Pfad, bei dem einem die Übungen mit AR gezeigt werden, über komplette Stadtführungen bis hin zu einer Radtour durch NRW zum 100. Geburtstag von Joseph Beuys.

Eine Beuys-Radtour?

Ja, mit über 40 Stationen. Da wird einem zum Beispiel erklärt, was ein bestimmtes Gebäude mit Beuys zu tun hat, man kann ein Quiz spielen, selbst etwas malen im Digitalen … So eine interaktive Führung ist vielleicht auch für die Kids ein bisschen spannender als das klassische Tourguide-Programm. Wobei unsere App für den Tourguide auch ein Tool sein kann, das er bei seinen Führungen mitnimmt. Jedenfalls haben wir das Glück, dass unsere Entwicklung so vielfältig einsetzbar ist. Dadurch hat uns die Pandemie auch neue Möglichkeiten aufgezeigt, insbesondere durch das höhere Bewusstsein der Leute im Bezug auf Hygiene und öffentliche Touchscreens.     

Sind Sie „nur“ für die technische Umsetzung verantwortlich, oder erstellen Sie auch Inhalte?

Das ist eine Mischung aus allem. Natürlich bieten wir dem Kunden an, dass wir auch Inhalte mit ihm kreieren, gerade wenn es um 3D geht. In 95 Prozent der Fälle verknüpfen wir aber einfach nur vorhandenen digitalen Inhalt mit analogem Material. In der Zusammenarbeit mit der Stadt Mönchengladbach zum Beispiel haben wir keinen Content kreiert. Das ganze System dahinter, das erschaffen wir natürlich. Aber die Videos, die Texte über die Sehenswürdigkeiten, die Verlinkungen zu den Websites, wo man sich ein Ticket kaufen kann – das kommt alles von der Stadt selbst. Das sind Infos, die schon bestehen, bislang aber möglicherweise auf irgendeiner Unterseite im Web versteckt waren. Wir bereiten sie neu auf und stellen sie dem Bürger auf eine andere Art zur Verfügung: genau dort, wo er sie braucht, genau dann, wenn er sie braucht.  

Wie sind Sie zur YONA-App gekommen?

Mein Mitgründer Urs Pospischil hat seine Masterarbeit über AR und VR geschrieben und sich danach selbstständig gemacht. 2018 kam ein größeres AR-Projekt von der Firma Ford zur Caravan-Messe in Düsseldorf rein, für die er eine Applikation entwickelt musste. Ich kenne Urs schon seit meiner Kindheit, wir sind in der Nähe von Köln zur selben Schule gegangen. Bei dem Projekt habe ich ihn ein bisschen unterstützt, und das Ergebnis kam so gut an, dass wir uns dachten: Es muss doch eine Möglichkeit geben, dass wir eine App erschaffen, die es jedem Unternehmen, jeder Frau, jedem Mann ermöglicht, AR-Content zu erstellen und abzuspielen. So ist die Idee für YONA entstanden.

Wie soll das gehen, AR für alle?

Die Kunden können sich in Zukunft auf unserer Plattform online anmelden und bauen sich dort ihre Kampagnen selbst zusammen. Sie laden zum Beispiel dann ihren Flyer und ein Video hoch, legen dieses auf den Flyer und geben an, wo auf dem Bildschirm es abgespielt werden soll, wenn man mit dem Smartphone draufhält. Sie können auch Buttons draufziehen, zum Beispiel ein Google-Maps-Button oder ein Telefonbutton, so dass man sie direkt anrufen kann. Eine Kommune kann auf unserer Plattform auch ihren Stadtplan digitalisieren. Da können sie dann ein paar Buttons auf den Stadtplan legen, und wenn man auf den Button tippt, entsteht wieder eine neue Seite. Das ist ein bisschen wie bei Wordpress. Wir sind der einzige Anbieter, der mit einer solchen Lösung um die Ecke kommt. Der User kann alles selbst machen. Dadurch können wir auch noch mal ganz andere Preise machen und AR auch für Kleinstunternehmen anbieten. So ein Projekt wie für Ford kann sich halt auch nur ein Unternehmen wie Ford leisten.

Ist die Konkurrenz im AR-Bereich groß?

Es gibt viele Mitbewerber, die Unternehmen anbieten, für sie eigene Apps zu erstellen – so wie wir das damals bei Ford gemacht haben. Jetzt haben wir aber die YONA-App erschaffen, die eine Lösung für alle sein soll. Übrigens auch für den Nutzer: Der muss keine 20 AR-Apps auf dem Handy haben, sondern nur unsere, und die kann er dann beim Stadtrundgang ebenso gut benutzen wie zu Hause, wenn er seine Fritz-Box in Betrieb nehmen will. Wir sind aber auch die einzigen, die das gesamte Spektrum der Möglichkeiten anbietet, das heißt, in unserer App finden Texte, Videos, Bilder und auch 3D-Objekte Platz. Viele andere können zum Beispiel nur Videos abspielen.

Sind Sie mit den Kunden gar nicht in Kontakt, wenn diese den Selfservice nutzen?

Im Moment sind wir in der Beta-Phase unserer Plattform, da begleiten wir die Projekte noch. Grundsätzlich kann man mit unserer Technik aber komplett selbstständig eine Kampagne erstellen. Natürlich werden wir auch weiter Service-Mitarbeiter beschäftigen, für Feedback und Fragen. Und es wird immer auch größere Projekte geben, wo wir mit dem Kunden eng zusammenarbeiten. Wenn wir etwa für eine Stadt eine komplette Tour entwickeln, ist das ein intensiver Prozess. Da veranstalten wir am Anfang erst mal einen Workshop und erarbeiten zusammen, was eigentlich gebraucht wird. So etwas machen wir auch deshalb weiterhin, weil bei solchen Projekten Dinge entstehen, die wir nach und nach in unseren Selfservice eingliedern können. Ein gutes Beispiel dafür ist das Mal-Tool, das wir für die Beuys-Tour durch Krefeld entwickelt haben.

Was ist, wenn der Kunde gerne etwas in 3D hätte, aber keine Möglichkeit hat, das selbst zu produzieren?

Wir können das übernehmen, das ist aber nicht unsere Kernleistung. Aber klar, wir machen das gern und verfügen über ein großes Netzwerk an Leuten, die solche Zusatzleistungen erbringen können. Wir haben da auch schon vieles umgesetzt, 3D-Darstellungen von Gebäuden und Maschinen zum Beispiel.

Wie groß ist Ihr Unternehmen derzeit?

Wir sind drei Gründer, zwei Festangestellte plus drei Studenten – wir sind also zu acht.

Und seit wann sind Sie am Markt?

2020 haben wir uns zusammen mit der TH Köln, wo wir studiert haben, erfolgreich für ein EXIST-Gründerstipendium beworben und hatten dann ein Jahr Zeit, unsere App zu Ende zu entwickeln und richtig loszulegen. Ende 2020 kam die Gründung unserer GmbH. Die YONA App gibt es im App Store aber schon seit Ende 2019, seitdem machen wir auch schon Projekte. Als GmbH sind wir jedenfalls gut aufgestellt und betreiben gerade viel Akquise in vielen Bereichen.

Welche Pläne haben Sie?

Kurzfristiges Ziel ist ganz klar: vollständiger Release unserer Selfservice- Plattform. Mittelfristiges Ziel ist, noch weitere Entwickler und Mitarbeiter einzustellen, weil wir im Moment echt nicht hinterherkommen. Und das langfristige Ziel, wo man auch ein bisschen träumen darf, ist, dass wir halt wirklich der Assistent in der Hosentasche werden. Ein Helfer, der beim Sightseeing genauso hilft wie bei der Benutzung der neuen Waschmaschine. YONA soll so etwa werden wie Siri und Alexa, nur halt im Bereich der Augmented Reality.

Ihr Unternehmen befindet sich in Hürth an der Grenze zu Köln. Was spricht für die Kölner Wirtschaftsregion?

Das ist ein superguter Standort. Der Name Köln ist über Deutschlands Grenzen hinaus positiv besetzt, das erleichtert die Mitarbeiter-Akquise. Außerdem ist für uns die Kooperation mit der TH Köln total wichtig. Bei uns arbeiten ja derzeit drei TH-Studenten, und einer unserer Festangestellten hat dort studiert und ist von uns direkt nach der Bachelor-Arbeit übernommen worden. Gerade bei einer so neuen Technik wie AR ist es für uns wichtig, frischen Input von der Uni zu bekommen, also immer zu wissen, woran die gerade forschen und was der neueste Stand ist. Das ändert sich ziemlich schnell in diesem Bereich. Sehr wichtig war auch, dass wir von Anfang an die hiesigen Gründernetzwerke genutzt haben. Die IHK etwa ist sehr wichtig für uns. Bei jeder Sache, die wir im Gründungsprozess nicht wussten, konnten wir die IHK anrufen. Wir sind da sehr gut betreut worden. Genial sind auch die TH Köln mit ihrem Start-up-Unterstützungsprogramm und das Gateway Exzellenz Start-up Center der Uni Köln. Direkt im Nachgang von EXIST haben wir das Gründerstipendium NRW bekommen. Wenn ich mit Freunden telefoniere, die in anderen Bundesländern oder anderen Städten leben, höre ich jedes Mal: So ein Support-Netzwerk hätten wir auch gerne.

Sie sind also restlos zufrieden?  

Mir als Gründer fehlt es hier an nichts. Klar, man muss natürlich wissen, wo man hingehen muss. Da muss man dann einfach mal den Telefonhörer in die Hand nehmen und nachfragen. Ich sag immer zu allen Gründern: Ruft bei der IHK an, dann passt das.

Und was raten Sie Gründern sonst noch?

Von Anfang an die Kunden mit an Bord nehmen. Es gibt eine Menge Start-ups, die im stillen Kämmerchen vor sich hin entwickeln, und das dann am Markt vorbei. Wir haben frühestmöglich begonnen, mit Kunden irgendwelche kleinen Pilotprojekte umzusetzen. Man muss sich immer wieder Kunden-Feedback einholen und sich nicht nur in dieser Start-Up-Bubble austauschen. Klar, das ist auch wichtig. Man sollte sich aber trauen, früh am Markt Hallo zu sagen.

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