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Im Interview mit Rainer Weiland

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Das Mediengründerzentrum NRW (MGZ) feierte vor Kurzem sein 15-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass sprachen wir mit Rainer Weiland, seit Februar 2021 Geschäftsführer. 

 

15 Jahre MGZ, inwieweit würden Sie von einer Erfolgsgeschichte sprechen?

Das ist tatsächlich eine Erfolgsgeschichte, denn 90 Prozent unserer Alumni sind bis heute am Markt aktiv, und viele davon sehr erfolgreich. Da wird Personal eingestellt, da wird viel Produktionsvolumen bewegt und insgesamt eine Wertschöpfung und wirtschaftliche Dimension erreicht, die sehr relevant ist. Hinzu kommt die inhaltliche – qualitative – Dimension. Wenn man sich die Preisbilanz unserer Alumni anschaut, dann sieht man: Sie erhalten eine wirklich europaweite Anerkennung für ihre Arbeit. Ich denke da zum Beispiel an die bildundtonfabrik, die in Köln inzwischen mehr als hundert Leute beschäftigt und viele Erfolgsformate hervorgebracht hat, darunter Jan Böhmermanns „Neo Magazine Royale“, „Die Carolin Kebekus Show“ oder die Netflix-Serie „How to Sell Drugs Online (Fast)“.

 

In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Medienbranche stark verändert. Wie hat sich das auf das Angebot des MGZ ausgewirkt?

Anfangs firmierten wir ja unter dem Namen AV-Gründerzentrum NRW, und der Schwerpunkt lag eindeutig auf der Film- und Fernsehproduktion. Inzwischen hat sich die Bewegtbild-Branche rasant weiterentwickelt. Die gesamten digitalen Ausspielwege mit ihrer unglaublichen Relevanz und ihrem riesigen Programmhunger sind dazugekommen. Und natürlich die non-linearen Erzählmedien wie die Games, die ein großer Wirtschaftsfaktor geworden sind, in NRW und auch weltweit. Und so ist unsere Stipendiat*innenschaft inzwischen bunt gemischt. Das beginnt bei der klassischen Dokumentarfilmproduktion, geht über sämtliche Bewegtbildangebote in den sozialen Medien bis hin zu den Games und immer wieder auch zu den neuen technologischen Anwendungen, insbesondere zu allem, was sich um Extended Reality dreht. Von dem dadurch entstandenen interdisziplinären Ansatz, dem Nebeneinander verschiedener Produktionsfelder und Marktsegmente, profitieren unsere Stipendiat*innen sehr. 

 

Was hat Sie persönlich daran gereizt, beim MGZ Geschäftsführer zu werden?

Ich habe als Journalist selbst in den Medien gearbeitet und war danach über viele Jahre bei der Landesregierung NRW in der Medienpolitik engagiert. Im Laufe der Zeit ist mir immer deutlicher geworden, dass es einen Bereich gibt, der vermeintlich klein ist, der aber eine ganz große Relevanz für die Zukunft hat, und das ist die Nachwuchsförderung. Das hat mich besonders gereizt an der ifs, der internationalen filmschule Köln, wo ich fünf Jahre Geschäftsführer war und neue Studiengänge mit Zukunftspotential aufgebaut habe, und das reizt mich jetzt in ganz besonderem Maße beim MGZ. Hier werden die kreativen Talente, die besonders von den Filmschulen kommen, darin unterstützt, aus ihren kreativen Ideen tragfähige Geschäftsmodelle zu machen.

 

Die Nachwuchsförderung ist also der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft?

Ich bin der Meinung, dass der Medienstandort Köln und der Medienstandort NRW am Ende nur so gut sein können wie der Nachwuchs, der hier an den Start geht. Wenn wir keine gute Nachwuchsarbeit machen, werden wir in zehn, 20 Jahren nicht mehr konkurrenzfähig sein. Insofern halte ich meine Tätigkeit im MGZ für sehr relevant, und sie macht mir großen Spaß.

 

„Das MGZ hat eine gute Entwicklungsperspektive“

 

Wenn Sie für sich auf die ersten Monate zurückblicken: welche Themen waren Ihnen besonders wichtig, was haben Sie schon verändert?

Zunächst muss ich sagen, dass ich von meinem Vorgänger Joachim Ortmanns ein wirklich gut bestelltes Haus übernommen habe. Und die Gesellschafter des MGZ, die Film- und Medienstiftung NRW und die Stadt Köln, haben dafür gesorgt, dass das MGZ eine gute Entwicklungsperspektive hat. Dazu gehörte auch die Erweiterung des Programmangebotes des MGZ: nicht ausschließlich nur Stipendien zu vergeben und für ein Jahr lang ein Qualifizierungsprogramm zu machen, sondern intensiver auch schon in der Vorbereitung der Stipendienprogramme interessierte Gründer*innen in und aus NRW zu qualifizieren und für sie auch im Anschluss an das Stipendium mit unseren Angeboten für Alumni eine Anlaufstelle zu bleiben.

 

Sie haben also ein gut bestelltes Haus vorgefunden.

Ja, allerdings personell sehr stark unterbesetzt. Die Hauptanstrengung war tatsächlich, das MGZ erst einmal personell aufzustocken. Wir haben jetzt zwei neue Kolleginnen, die beide für ihre Positionen gut qualifiziert sind. Was ich als nächstes angegangen bin, war ein ganz konkretes Programm für Gründerinnen in der Medienbranche.

 

Sie sprechen von Sheroes.

Ja. Das ist ein dreimonatiges Programm für Gründerinnen und Unternehmerinnen im Medienbereich. Wir haben bei der Planung von Sheroes übrigens das getan, was wir in Zukunft in allen Programmen des MGZ noch stärker ausbauen sollten: die Kooperation mit anderen relevanten Branchenplayern, den Ausbau eines starken Netzwerks. Bei Sheroes sind die Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) und die ifs ebenso dabei wie der games.nrw-Verband und das Mediennetzwerk NRW und mit Women in Film and Television (WIFT) und den Digital Media Women (DMW) zwei Organisationen, die Frauen in ihrer Entwicklung in den Medien stärken und fördern wollen. Die Integration in ein starkes Netzwerk hat bedeutende Vorteile. Zum einen muss man nicht alles selber erfinden, wir haben Partner, die gute Angebote und gute Ideen schon haben, auf die wir auch zugreifen können. Und zum anderen verbessern wir auch die Wahrnehmung und Sichtbarkeit des Programms und des MGZs insgesamt, wenn wir mit starken Netzwerkpartnern zusammenarbeiten.

 

„Beim MGZ kamen in den vergangenen Jahren im Durchschnitt nur 25 Prozent der Bewerbungen von Frauen“

 

Inwieweit brauchen Frauen ein besonderes Programm, oder anders gefragt: Wie unterscheidet sich Sheroes vom anderen Programmen des MGZ?

Ich habe mich in fünf Jahren Tätigkeit an der ifs intensiv mit dem Thema Gendergerechtigkeit beschäftigt. An den Filmschulen hat sich inzwischen schon viel getan. Dort haben wir in etlichen Gewerken in etwa eine Parität zwischen Männern und Frauen. Das Interessante ist aber, was passiert, wenn die Absolventinnen in den Markt gehen und es um die Unternehmensgründung geht. Da sind Frauen trotz der fast paritätischen Ausbildungsquote deutlich unterrepräsentiert. Beim MGZ kamen in den vergangenen Jahren im Durchschnitt nur 25 Prozent der Bewerbungen von Frauen. Deshalb haben die beiden Verbände WIFT und DMW befürwortet, dass hier gezielte und gesonderte Angebote für Frauen aufgelegt werden, Programme, in denen Frauen auch einmal unter sich bleiben und sich untereinander austauschen können. So ein Programm wie Sheroes ist also tatsächlich etwas, was heute immer noch wichtig und notwendig ist, und zwar so lange, bis wir auch bei den Unternehmensgründungen eine Parität haben. Was im Moment passiert, ist ja auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive fragwürdig. Wir haben qualifizierte, talentierte, hochkompetente Frauen, die ihr unternehmerisches Potenzial viel zu wenig ausspielen. Da sind Ressourcen, die noch gar nicht genutzt werden, um unseren Medienmarkt und unseren Standort voranzubringen.

 

Wo wollen Sie insgesamt hin mit dem MGZ?

Zum einen möchte ich, dass das MGZ in noch viel stärkerem Maße ein offenes Haus wird, sodass jede*r in NRW sagt: Wenn es um Gründung im Medienbereich geht, dann gibt es die Expert*innen beim MGZ. Dass wir die Bekanntheit haben, die Selbstverständlichkeit, dass alle wissen: an die muss ich mich wenden. Dafür reicht es nicht, einmal im Jahr ein Stipendium auszuschreiben, da muss man das MGZ ganzjährig öffnen, und zwar sowohl für gründungsinteressierte Studierende als auch für Menschen, die in der Medienbranche schon unterwegs sind, aber sagen: Eigentlich ist für mich der Traum, mein eigener Chef zu sein, mein eigenes Geschäftsmodell zu entwickeln. Das Ziel ist, dass man sich jederzeit an uns wendet, wenn es Fragen rund um das Thema Gründung im Medienbereich gibt. Vor allem wollen wir aber auch einen Teil unserer Veranstaltungen stärker für interessierte Nicht-Stipendiat*innen öffnen. Dass es innerhalb der Programme immer auch Räume geben muss, die geschlossen bleiben müssen, weil da eben auch sehr vertrauliche, sensible und persönliche Fragen auf den Tisch kommen sollen, versteht sich von selbst. 

 

Lassen sich diese Vorhaben mit der derzeitigen Personalstärke umsetzen oder muss das MGZ dann automatisch noch größer werden?

Das ist der Grund dafür, dass unsere Gesellschafter entschieden haben, das Personal etwas aufzustocken. Lange Zeit hat das MGZ mit zwei bis drei Kolleg*innen die Arbeit gemacht. Mit der Neubesetzung sind wir nun gut aufgestellt, diesen Öffnungsprozess gut zu gestalten.

 

„Netzwerk bedeutet: Man muss nicht alles selber machen“

 

Die Öffnung des MGZs und die stärkere Vernetzung sind also Ihre wichtigsten Vorhaben?

Ganz richtig. Vernetzung heißt dann eben auch, dass wir bestimmte Angebote – etwa bestimmte Seminarthemen – nicht selber durchführen müssen. Ich nenne mal ein Beispiel: Ein Partner von uns ist das Cologne Game Lab, das sitzt im selben Haus wie wir und macht unter anderem Veranstaltungen zu aktuellen Marktentwicklungen im Games-Bereich und zum Thema Projektfinanzierung. Das sind Themen, die unsere Stipendiat*innen auch sehr interessieren. Warum sollten sie also nicht an ausgesuchten Veranstaltungen teilnehmen? Umgekehrt können Studierende des Cologne Game Lab an bestimmten Veranstaltung bei uns teilnehmen. Das Gleiche können wir auch mit der ifs durchspielen oder mit anderen Hochschulen am Standort. Oder auch mit Verbänden. Wenn etwa die DMW ein Seminar zum Thema Selbstmarketing in den sozialen Medien machen, dann kann das durchaus auch sinnvoll sein, dass man Stipendiatinnen aus unserem Programm dazu bittet. Netzwerk bedeutet: Man muss nicht alles selber machen. Wir arbeiten beispielsweise auch heute schon sehr intensiv mit den Startercentern in Köln zusammen, deren Expert*innen sind bei uns gern gesehene Referent*innen, wenn es um Grundsatzfragen rund um Gründung geht. Auch da kooperieren wir, weil wir sagen: Das müssen wir nicht selber alles entwickeln, die Expert*innen sind schon da.

 

Wie beurteilen Sie den Medienstandort Köln?

Die Medienbranche erlebt derzeit einen Boom. Beim Fernsehen werden neue Konzepte und Inhalte gesucht, die Streamingplattformen wachsen enorm. Dadurch ist ein äußerst starker Programmhunger entstanden, der vergleichbar ist mit der Zeit, als das Privatfernsehen aufkam. Daneben werden jede Menge innovativer Webvideoformate entwickelt, die Spielenutzung steigt weiter und damit auch der Hunger und der Bedarf nach neuen innovativen Spieleideen. Die Stellenportale laufen heiß, nicht nur in NRW, sondern bundesweit, weil die Medienunternehmen bundesweit händeringend gute Leute suchen. Es gibt also grundsätzlich eine richtige Aufbruchsstimmung, und davon profitiert der Medienstandort Köln sehr, weil er eine solide unternehmerische Basis hat und sehr gut aufgestellt ist.

 

Das heißt?

Wir haben in Köln die wirklich großen Player, nicht nur im Fernsehbereich, sondern auch bei den Publishern, eine unglaublich starke Webvideo-Szene, wir haben Digitalagenturen und außerdem eine sehr gute Qualifizierungsinfrastruktur mit der ifs und der KHM, mit privaten Hochschulen wie SAE, Macromedia und Fresenius, und – vor allem – mit der Universität Köln und der Fachhochschule Köln, beides Institute, aus denen auch immer wieder super talentierte Medienmacher*innen hervorgehen. Und als letzten Baustein, als Verbindungsglied zwischen der Branche, also den starken Marktplayern auf der einen Seite, und den Talenten, die aus dem Ausbildungsbereich kommen, dazwischen das Mediengründerzentrum, das aus Talenten Unternehmer*innen macht.

 

„Köln bietet alles, was derzeit gebraucht wird – mit einer Ausnahme“

 

Der Medienstandort Köln wird also auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen?

Ja, wenn eines beherzigt wird: Kümmert Euch weiter um den Nachwuchs! Ohne die Investition in den Nachwuchs wird es sehr schwierig, im Wettbewerb der nationalen und internationalen Medienstandorte auch morgen noch mitzuhalten. Das ist für mich die zentrale Botschaft in Richtung Köln, und insofern ist es auch gut und wichtig, dass sich die Stadt um den Erhalt und die Finanzierung des Mediengründerzentrums kümmert. Es gehört allerdings noch etwas dazu: Köln bietet alles, was derzeit gebraucht wird – mit einer Ausnahme: günstige Büroflächen. Zwar hat Köln bei den Gewerbeimmobilien im Vergleich zu München oder Frankfurt noch moderate Mieten. Und auch das Immobilienportal von KölnBusiness, das passgenaue Gewerbeimmobilien vermittelt, ist ein sehr gutes Angebot. Aber für junge Gründer*innen sind die Preise dennoch herausfordernd. Vielleicht ist das ein Projekt, das wir angehen können: Eine Initiative für bezahlbare Büroflächen, das würde viele gut ausgebildete und kreative Gründer*innen hier halten und den Standort weiter stärken.

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